1s | Welches Geschlecht hat das Gehirn? Dafür |
4s | möchten wir zunächst wissen, ob sich |
5s | Gehirne je nach Geschlecht äußerlich |
7s | unterscheiden. |
8s | Wir fragen einen Neuroanatomen. Sie |
10s | sehen hier das Gehirn eines Körperspenders. |
12s | Die Hirnhäute sind zum Teil |
14s | entfernt. |
15s | Und wenn ich ihnen sagen müsste, ob es |
17s | sich um ein männliches und weibliches |
18s | Hirn handelt, kann ich den Unterschied so |
20s | anhand dieser Makroskopie nicht |
23s | festlegen. |
24s | Auch die Größe ist kein Indiz. Denn sie |
27s | hängt eher von der Körpergröße als vom |
29s | Geschlecht ab. Aber wie sieht es im |
31s | Inneren des Gehirns aus? Gibt es da |
34s | Unterschiede? |
36s | Man sieht diesen Bereich, hier der Balken |
39s | der ist bei Frauen sehr viel deutlicher |
41s | ausgeprägt und dicker im Vergleich zu |
44s | Männern, wo dieses Gebiet eher dünner ist |
47s | und nicht so wulstig wie hier. |
49s | Man kann auch ein weibliches Gehirn |
52s | zeigen, bei dem diese Ausprägung nicht so |
56s | stark ist. Also, auch hier sehen Sie |
58s | fließende Übergänge und man kann anhand |
60s | dieser Struktur nicht eindeutig sagen, ob |
63s | es sich um ein Männergehirn oder ein Frauengehirn |
65s | handelt. Es gibt hunderte Studien, |
69s | die Geschlechterunterschiede in der |
70s | Anatomie des Gehirns untersucht haben. |
73s | Ein internationales Forscherteam hat all |
76s | diese Daten verglichen. Das Ergebnis: Die |
78s | Überschneidungen sind meist größer, als |
80s | die Unterschiede. |
82s | Doch das Aussehen des Gehirns ist ja |
85s | nicht alles. Was ist mit seiner Funktion? |
87s | Gibt es da Unterschiede zwischen den |
90s | Geschlechtern? |
93s | Einige sind bekannt, Frauen sind im |
96s | Durchschnitt sprachgewandter und |
99s | Männer haben meist ein besseres |
101s | räumliches Vorstellungsvermögen. |
103s | Das wird mit dem sogenannten Rotationstest |
105s | untersucht. Welche Würfelfigur |
108s | entspricht dem Vorbild? Das erkennen |
113s | Männer zuverlässiger. Das Überraschende: |
115s | Frauen schneiden bei diesem Test nicht |
117s | immer gleich ab. Ihre Ergebnisse |
119s | schwanken - mit ihrem Zyklus. |
122s | Wie kann das sein? Untersuchungen mit |
126s | Magnetresonanzspektrometern zeigen, dass |
129s | Hormone das Gehirn verändern. |
134s | Die Hormone haben eigentlich ständigen |
137s | Einfluss, die haben einen pränatalen hohen |
139s | Einfluss auf das, wie sich unsere Gehirne |
141s | entwickelt haben, aber auch aktivierende |
144s | Einflüsse, das heißt, lebenslange |
145s | Einflüsse. Und natürlich, ganz besonders |
147s | sichtbar sind die bei Frauen im Verlauf |
149s | des Zyklus, weil da das Östrogen ansteigt, |
152s | im Verlauf des Zyklus, dann später auch |
154s | dass Progesteron und da hat man sich dem |
156s | Effekt dieses Östrogens gewidmeten und hat |
159s | festgestellt, wenn das ganz gering ist, |
161s | dann ist die Aktivierung und manchmal auch |
163s | das Verhalten dem der Männer ähnlicher, |
166s | also dass Frauen dann Männern ähnlicher |
169s | sind. Wenn eine Frau ihre Periode hat, |
171s | arbeitet ihr Gehirn also stärker unter |
174s | dem Einfluss von Testosteron, als an |
176s | anderen Tagen ihres Zyklus. Eine einfache |
179s | Einordnung scheint es nicht zu geben. |
181s | In letzter Zeit sind transidente, viele |
185s | sagen auch transsexuelle Menschen für |
187s | die Forschung interessant geworden. Ihre |
190s | Geschlechtsidentität stimmt nicht mit |
192s | dem Geschlecht überein, dass bei ihrer |
194s | Geburt festgestellt wurde. Gibt es für |
196s | diese Geschlechtsidentität vielleicht |
198s | biologische Marker im Gehirn? |
200s | Um das herauszufinden, misst man zum |
202s | Beispiel die Reaktion des Gehirns auf |
204s | Stimmen. Was man sieht, ist das hier |
208s | Aktivität im auditorischen Kortex ist, das |
211s | heißt, das ist das Areal, |
213s | dass für das Hören zuständig ist und |
216s | eben auch für die Stimmverarbeitung. Und |
217s | man sieht, dass die trans Frau hier |
220s | zwischen den beiden Aktivierungsmustern |
223s | liegen von Männern und Frauen und so |
225s | einen Ausdruck sind, dass man sie nicht |
226s | ganz einfach dem einen oder dem anderen |
228s | Geschlecht zuordnen kann. |
231s | Auch wenn die Zahl der Probanden noch |
232s | gering ist, die ersten Daten zeigen zwar |
235s | Unterschiede zwischen Frauen und Männern, |
236s | aber auch Übergänge. |
238s | Wir haben erwartet, dass, zumindest was |
240s | das Gehirn angeht, wir keine festen |
242s | Kategorien haben, sondern dass wir so ein |
243s | Kontinuum haben und unter biologischen |
246s | Einflüssen, hormonellen und genetischen |
248s | Einflüssen sich ein mehr männliches oder |
250s | mehr weibliches Gehirn entwickelt, das |
252s | das aber, sozusagen, nichts Starres ist, |
254s | sondern immer auch in Interaktion mit |
257s | Umwelt und Erfahrung und Lerneinflüssen |
260s | passiert. Das Gehirn hat also nicht ein |
262s | Geschlecht, sondern ist eine Mischung aus |
264s | weiblich, männlich und ganz viel |
266s | dazwischen. |